Victoria Borisova-ollas - komponistin des monats

Vor ein paar Wochen saß ich im Alten Konzertsaal meiner Uni, probierte den Konzertflügel aus und hörte dann den anderen Studierenden beim Einspielen zu, während ich aus den Fenstern auf das danebenliegende Schloss Belvedere und den Schlossgarten schaute. Klingt zu romantisierend? Dann erzähle ich dir jetzt den etwas nüchterneren Teil: Auch wenn das Konzert wunderbar war und alle Musiker*innen wirklich gut spielten, war mein Stück das einzige, das nicht von einem weißen männlichen Komponisten geschrieben wurde. Und das bei über 20 gespielten Werken – das kann sich meiner Meinung getrost ändern. (Auch wenn ich Debussy, Schubert und Konsorten liebe). Besagtes Stück war „Silent Island“ von Victoria Borisova-Ollas, meine neue Komponistin des Monats. Klicke hier und höre dir während des Lesens eines meiner Lieblingsstücke der Künstlerin an.

Erst der Titel, dann die Klänge

Kompositionen haben die vielfältigsten Ursprünge – bei Victoria Borisova-Ollas steht das Wort ganz am Anfang, erst dann fließen Ideen, Bilder, Stimmungen in Form von Klängen zu ihr. Gut nachzuvollziehen, bei Titeln wie „Silent Island“, „Colours of Autumn“ oder „The Ground Beneath Her Feet“.

Victoria Borisova Ollas - Composer

Borisova-Ollas wurde 1969 in Vladivostok in der damaligen Sovietunion geboren, lebt aber schon seit über 30 Jahren in Schweden. Das damalige Musikschulsystem unterstützte sie sehr in ihrer Karriere, so konnte sie schon früh nach Moskau ziehen, um dort bei den besten Lehrenden zu studieren und später auch nach England und Schweden reisen, um dort weiter zu lernen.

Oft wird sie gefragt, ob sie nun eine russische oder schwedische Komponistin wäre, Borisova-Ollas‘ Antwort ist dabei meist, dass ihre Musik eine gute Mischung aus Allem ist – wobei sie aber keine avantgardistische Musik schreibt. Vielmehr vermittelt sie Stimmungen, Bilder, Gefühle wie anfangs beschrieben, auch wenn diese nicht immer sofort verständlich sind.

 Foto: Martina Holmberg

Kunst und Literatur in Klänge verwandeln

Zitate aus den Psalmen sind nicht selten Titel ihrer Stücke, genauso lässt sie sich aber auch von der Malerei inspirieren, Roosters in Love ist zum Beispiel ein Stück, das sie schrieb und dabei an Bilder von Chagall dachte.

The Ground Beneath Her Feet ist manchen vielleicht bekannt, die Salman Rushdies Werk gelesen haben – oder auch Lolita, Inspiration für Colours of Autumn.

Für uns Pianist*innen gibt es eine kleine Auswahl an Klaviersolostücken, denn hauptsächlich findet man im Œuvre der Komponistin Kammermusik, die weltweit von renommierten Orchestern aufgeführt wird. Auch die Tanzbegeisterten unter uns werden nicht enttäuscht: Im Moment arbeitet Borisova-Ollas an einem Ballett, das vom Royal Swedish Ballet in Auftrag gegeben wurde.

Aber was kann man denn nun von Borisova-Ollas spielen? 

Ich bin kein Profi, wenn es um andere Instrumente geht, aber für Klavierspielende kann ich „Silent Island“, Noten hier, empfehlen, es wird von ABRSM als Grade 5 eingestuft und ist recht schnell zu erlernen. Die Stimmung des Stückes ist einerseits ruhig mit vielen langen Klängen, die immer wieder von Überraschungen durchbrochen werden und beinhaltet wunderschöne, sich reibende Töne und Harmonien.

Ein weiteres Stück ist A Postscript to the Waltz, das erst vor 5 Jahren publiziert wurde. Leider gibt es keine Aufnahmen, aber die Noten findest du im Link. Borisova-Ollas wird übrigens im Verlag Universal Edition, der hier in Wien ansässig ist, publiziert. Besonders praktisch, denn so können wir ganz unkompliziert die neuesten Noten der Komponistin entdecken und bestellen.

Du hast den Luxus von zwei Klavieren im selben Raum und einem*r weiteren Pianist*in? Congratulations, du solltest unbedingt Djurgården Tales spielen, das für zwei Klavier konzipiert wurde. Höre es dir hier an, gespielt u.a. von Ivetta Irkh, der das Stück gewidmet ist. Die Noten kannst du wieder auf Universal Edition bestellen.

Verrate mir gern, welches Stück du am liebsten gehört hast - oder welcher Kompositionstitel am spannendsten für dich klingt (ich selbst bin ja ein Fan von Djurgården Tales, ich war erst vor kurzem in Stockholm und finde, die Komponisten konnte das Gefühl des Djurgården Parks wunderbar musikalisch einfangen.)

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