Büşra Kayıkçı (Istanbul)

Komponistin und Pianistin Büşra Kayıkçı musiziert nicht nur, sondern illustriert und designt Räume. Wann sie nach Wien kommt, was sie beeinflusst und wie ihre Musik klingt, erfährst du in den nächsten Zeilen - es lohnt sich, bis zum Schluss dazubleiben!

Büsra Kayikci sitzt vor ihrem offenen Klavier, man sieht das Innere des Klavieres. Sie lächelt leicht mit geschlossenem Mund und sieht am Fotografen vorbei

Photo: Cabin Artists

Musik Tanz malerei

Büşra Kayıkçı ist eine 1990 geborene, in Istanbul lebende Komponistin, Pianistin und Innenarchitektin. Bereits als Kind drückte sie sich durch verschiedenste Kunstformen kreativ aus, sie tanzte Ballett, malte viel und beginn mit 9 Jahren, Klavier zu spielen. Dabei spielte sie klassische, aber auch zeitgenössische Musik, bis sie 2007 mit dem Studium der Innenarchitektur und Environmental Design begann, denn ihre Familie riet ihr, einen „sichereren“ Beruf als den der Musikerin oder Tänzerin zu wählen, da man als Künstler*in finanziell nicht immer gesichert ist. In einem Interview erwähnt sie, dass ihr Vater ihr immer sagte, Van Gogh habe mit seiner Kunst erst nach seinem Tod Geld verdient.

Studierende, alleinerziehende Mutter, interdisziplinäre Künstlerin

Sie war damit sehr erfolgreich, gewann Auszeichnungen bereits als Studentin, unterbrach das Studium aber, als sie ihre Tochter bekam. Büşra Kayıkçı arbeitete schon einige Jahre an vielen Designprojekten, als sie sich wieder mehr dem Klavierspielen widmete und vor allem Werke von Nils Frahm und John Cage studierte - Musik, die sie schon als Teenager spielte, als sie fast mit dem Klavierspielen aufhören wollte, da sie nicht mehr so viel Zeit und Kraft in klassische Musik stecken konnte. Durch das Spielen dieser Musik kam sie dem Komponieren von neoklassischer Musik immer näher, sie musizierte minimalistisch, manipulierte den Klang des Klaviers auf unterschiedliche Arten und nahm diese Musik auf. Musizieren mit einem präparierten Klavier (lies mehr darüber in diesem Artikel) war für sie bereits als Jugendliche eine neue Welt, in die sie sich stürzen wollte und die Architektur mit der Musik verbinden konnte- Saiten mit Objekten manipulieren, Materialien aufeinanderschichten und so neue Klänge erschaffen.

Der Weg zum ersten Album

Kayıkçı gründete 2018 ihr eigenes Studio, fertigte Aquarellillustrationen an, unterrichtete und spielte Tag und Nacht Klavier – in diesem kreativen Experimentierfeld entstanden schließlich ihre ersten eigenen Kompositionen. Vor genau drei Jahren, im November 2019, veröffentlichte sie ohne Label ihre erste Single und Debütalbum „Eskizler” (Sketches), welches aus 9 Stücken für Soloklavier besteht und zum neoklassischen und minimalistischen Genre gezählt werden kann. Die Pianistin hat von einigen Stücken direkt die erste Version in das Album aufgenommen, ist nicht den Regeln gefolgt und hat sich so gegen den Perfektionismus gestellt, der einem als klassische*r Musiker*in nur allzu bekannt ist. Aufgenommen werden ihre Kompositionen oft auf ihrem ersten Klavier, meistens mit dem linken Pedal, also gedämpft gespielt und manchmal präpariert.

Hör dir hier den podcast an.

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Vor allem von klassischen Pianist*innen wurde sie öfters kritisiert, keine perfekte Technik auf allen Aufnahmen zu zeigen und Imperfektionen aufgenommen zu haben, was für sie zu Beginn nicht sehr einfach war. Sie lernte aber, dem positiven Feedback mehr zu lauschen als Hassnachrichten auf Social Media – mit mehr als Hunderttausend Follower*innen (sie wurde durch Liveperformances während der Pandemie bekannt) kann man die Musikerin dahingehend sehr verstehen.

Was Architektur mit ihrer Musik macht

Während eines Museumsbesuches einer zeitgenössischen Ausstellung entdeckte Büşra Kayıkçı in einigen Kunstwerken sich wiederholende Elemente, simple Muster, die die Betrachtenden in den Bann ziehen – ähnlich der minimalistischen neoklassischen Musik. Als Innenarchitektin vergleicht sie den kreativen Prozess mit dem Komponieren, beide Tätigkeiten erschaffen Konstruktionen: Nicht nur in Gebäuden reist man von Raum zu Raum, Zeit zu Zeit, dasselbe geschieht, wenn man einem Song lauscht, der einen tief berührt.

Design ist wichtig – aber mindestens genau so der Raum, die Luft zwischen den Objekten, sie formen das Kunstwerk auf ganz bestimmte Weise. Übertragen auf Musik bedeutet das, dass Stille und Pausen ein Stück mitformen und ausschlaggebend sind, uns Raum zum Atmen geben, das Stück mitgestalten und oft die spannendsten Momente sein können.

Neben klassischer Klaviermusik und den bereits genannten Komponisten wie John Cage und Nils Frahm ist Kayıkçı auch von Astor Piazzolla beeinflusst und beeindruckt, wie er Tango neu gedacht hat, E-Gitarre und Klavier hinzugezogen hat und mit neuen Ideen wieder zurück nach Argentinien ging, um dort den Tango neu zu beleben. Als Kind und Jugendliche hörte Büşra aber nicht nur diese Musik, sondern auch Red Hot Chili Peppers, türkische Folklore (meistens zuhause), Tchaikovsky in ihren Ballettklassen oder Jazz – unterschiedlichste Genres, die alle unbewusst in ihrem Spielen mitwirken.

Bluets! Und wo du sie im Dezember live in Wien hören kannst

Der beste Moment, einen Artikel zu veröffentlichen? Eine Woche, bevor die Komponistin nach Wien kommt und du hautnah ihre Musik erleben kannst! Am 5. Dezember 2022 spielt Büşra Kayıkçı im Wiener Konzerthaus, die Karten kosten sogar weniger als 25€, was bestimmt in einigen Jahren anders sein wird. Sie wird bestimmt auch aus ihrem neuen Album „Bluets“ spielen, das vor einigen Wochen in Kollaboration mit Ah!Kosmos entstanden ist, sowie bekannte ältere Stücke. Kostproben gibt es wie immer hier oder auf meinem Instagram Account.

Büsra Kayikci steht auf einem flachen Stein am Rande des Meeres, hinter ihr kleine Wellen, der Himmel ist bewölkt und am Horizont ein Fels im Meer zu sehen. Sie hat die Augen geschlossen  und wirkt, als ob sie Sonnenstrahlen genießen würde.

Pianist*innen: was wir lernen können!

In Interviews erzählte Büşra Kayıkçı von ihren größten Learnings und Tipps, die sie an Pianist*innen und Komponist*innen richtet. Eines davon ist, Repertoire zu erlernen und zu spielen, denn so lernt man die grundlegenden Bausteine der Musik, auf die man später immer wieder bewusst oder unbewusst zurückgreift - Harmonien, Motive, Technik. Zweites Learning: Improvisiere! Riskiere Fehler, traue dich, zu spielen, was gerade kommt, intuitiv, aber trotzdem nicht nur willkürlich, so kommen oft die besten Ideen.

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