Komponistin des Monats: Isabel Mundry
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Nach einigen Wochen Pause (die man nach stressigen Wochen des Studienabschlusses wirklich braucht), sind die Komponistinnen des Monats wieder zurück! Nach meiner Umfrage auf Instagram ist es dieses Mal Isabel Mundry geworden, wieder eine Komponistin, die noch lebt und zeitgenössische Musik kreiert. Natürlich ist es immer schwierig, über eine noch lebende Person zu schreiben, ich hoffe aber, Dir in den nächsten Minuten eine neue Komponistin zumindest ein bisschen näherbringen zu können.
Wer ist Isabel Mundry?
Isabel Mundry wurde 1963 in Deutschland geboren und studierte in Berlin und Frankfurt Komposition sowie Musikinformatik in Paris. Sie lehrt momentan Komposition in Zürich und München und kombiniert das Unterrichten und Lehren in den Musikhochschulen mit dem Komponieren von Auftragswerken, für die sie bereits vielfach ausgezeichnet wurde.
Über das Komponistinnen-Sein
In einem Interview mit dem Magazin Concerti spricht Isabel Mundry 2021 über den Beruf der Komponistin. Sie erzählt, dass so gut wie niemand nur vom Komponieren leben kann, die Aufträge meist unterbezahlt sind und der Aufwand nicht ganz so wertgeschätzt wird. Allerdings berichtet sie von Kolleg*innen, die ein Instrument unterrichten und in diesem Feld mit ihren Schüler*innen das Komponieren erkunden, oder auch bildende Künstler*innen, die mit Kompositionen in ihren Arbeiten experimentieren.
Das Komponieren an sich ist für sie immer mit neuen Fragestellungen verbunden, mit dem Entdecken von klanglichem Neuland. Aus finanziellen Gründen werden oft mehrere Ableger von einem Stück geschrieben, man nimmt auch mal Kompositionsaufträge an, die man schneller schreiben kann. Ohne Auftrag schreibt sie übrigens sehr wenig, wobei es von Fall zu Fall unterschiedlich ist, wie viele künstlerische Freiheiten sie hat: Muss es ein Streichquartett sein? Muss es zu einem bestimmten Thema eines Festivals passen? Kann sie sich frei aussuchen, welchen Rahmen und welche Grenzen sie sich setzt? Manchmal muss es ein Streichquartett sein, manchmal ein Stück für Klarinette und Akkordeon, manchmal gibt es kaum Vorgaben, was alles inspirierend sein kann. Denn wenn es Grenzen gibt, kann man sich innerhalb derer kreativ austoben und findet dadurch oft zu ganz neuen Ideen, die man sonst nie gehabt hätte.
Mundrys Musik hören und spielen
Seit den 1980ern wächst ihr Gesamtwerk stetig weiter und beinhaltet unterschiedlichste Gattungen. Für uns Pianist*innen (und Fans von Klaviermusik) kann ich besonders das Klavierkonzert „Non-Places“ empfehlen oder „Turning around“. Letzteres verlinke ich hier inklusive der Noten, da es ein Stück für Solokklavier ist und somit einfacher umsetzbar für viele als ein Klavierkonzert ist. An meine Klavierschüler*innen: In diesem Video könnt ihr sehen und lauschen, wie nicht nur an den Tasten, sondern auch IM Flügel gespielt wird!
Aber natürlich ist es immer auch wichtig, sich Werke mit anderer Besetzung anzuhören, weshalb ich weiter unten „Textile Nacht“ verlinke, ein kurzes Werk für Sopran, Posaune, Cello, Klavier und Schlagzeug, ein nicht allzu gewöhnliches Quintett.
Die für Mundry wichtigen Themen Zeit, Raum und Wahrnehmung in stetigem Bezug auf Musik sind besonders für Rhythmiker*innen spannend, da alle diese Bereiche wichtige Bezugspunkte in der Theorie aber auch Praxis der Rhythmik sind. Mundry benennt Musik als „vielfaches räum-liches Gebilde“ (Mundry 2003b, S.27), oft werde sie inspiriert durch außermusikalische Thematiken wie zum Beispiel Literatur. Harmonie sei ihr in ihrer Arbeit dabei nicht egal, sie versuche immer, die passende Harmonik zu finden, anstatt einzelne Töne ohne Relation zu platzieren.
Klavierpartitur bei Breitkopf & Härtel: Turning Around
Gibt es wirklich weniger weibliche Komponistinnen?
In einem Interview wird Mundry diese Frage gestellt und wenn ja, warum das so sein könnte. Auch in ihren Unterrichtsräumen sitzen immer noch mehr männliche Studierende, vor allem die, die sich zu Wort melden seien öfter männlich. Laut ihr werden viele Frauen* immer noch so erzogen, leiser zu sein, anderen den Vortritt zu lassen (wie es ihr auch selbst passierte, als ihr als Jugendliche vom Komponieren abgeraten wurde, während ihr Freund bestärkt wurde, Maler zu werden). Sie meint allerdings aber auch, dass sich seit einigen Jahrzehnten etwas ändert, es gibt immer mehr Komponistinnen, die auch immer öfter aufgeführt werden und sich dafür einsetzen, gehört zu werden.
Isabel Mundry in ihren vielen Tätigkeiten
Sie komponiert nicht nur, sondern lehrt wie oben schon kurz besprochen an Fachhochschulen, ist 2022 Composer in Residence beziehungsweise Artiste d’etoile in Würzburg und manchmal auch Jurymitglied. So etwa im Frühling 2022, als sie Teil der Jury des 5. Mauricio Kagel Kompositionswettbewerb an meiner Universität MDW war. In diesem Wettbewerb wurden vier Tage lang Klavierkompositionen gespielt und danach von der Jury besprochen und analysiert. Ab Minute 50 kann man sich unter folgendem Link die Gewinnerkomposition Creatures von Patrick Thomas Schäfer anhören, sehr empfehlenswert und spannend sind auch die Gedanken der Jury nach dem jeweiligen Stück!
Mauricio Kagel Kompositionswettbewerb: Creatures (ab Minute 50)
Onlinequellen:
https://de.karstenwitt.com/kuenstler_in/isabel-mundry
https://www.concerti.de/interviews/isabel-mundry/
https://www.concerti.de/portraets/sommerreihe-starke-frauen-isabel-mundry/
Podcast: https://www.swr.de/swr2/musik-klassik/isabel-mundry-komponistin-100.html
Felix Emter, Artikel „Isabel Mundry“, in: MUGI. Musikvermittlung und Genderforschung: Lexikon und multimediale Präsentationen, hg. von Beatrix Borchard und Nina Noeske, Hochschule für Musik und Theater Hamburg, 2003ff. Stand vom 22. Juli 2017, online verfügbar unter https://mugi.hfmt-hamburg.de/receive/mugi_person_00000585, zuletzt abgerufen am 22. Juli 2022.