Sabrina Künig

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Mel Bonis – Eine Musikerin der Belle Epoque

Claude Debussy kennen spätestens seit Twilight und Edward Cullens Lieblingsstück Clair de Lune sogar die am wenigsten an Musik interessierten Menschen. Aber hast du schon einmal etwas von Mel Bonis gehört, Komponistin und Studienkollegin von Debussy, die von Camille Saint-Saëns (der Erschaffer von Karneval der Tiere, mindestens so bekannt wie Claire de Lune) bewundert wurde und vor über 100 Jahren trotz widriger Umstände Musik erschuf? Wenn es dir so wie mir geht, dann lies jetzt weiter, denn Mel Bonis ist definitiv eine Künstlerin, deren Werke es mehr als verdient haben, angehört und gespielt zu werden.

Komponistin – und das als Frau aus einer nichtmusikalischen Familie?

Mel Bonis wurde als Mélanie Hélène Bonis 1858 in Paris geboren, anders als viele der bereits vorgestellten Komponistinnen aber nicht in eine Familie voller Künstler*innen, nein, ihre Eltern arbeiteten als Vorarbeiter und Kurzwarenhändlerin und waren nicht sehr begeistert, als ihre Tochter am Pariser Konservatorium studieren wollte. Als sie dann doch dort lernen durfte, unter anderem mit Debussy, konnte sie das Studium nicht beenden, da sie mit 25 Jahren von ihrer katholischen Familie gezwungen wurde, einen sehr viel älteren Mann zu heiraten – deren 5 Kinder sie aufziehen sollte, das Hauspersonal managen musste und somit sich nicht mehr hauptsächlich der Musik widmen konnte.

Dadurch war sie aber finanziell abgesichert, ihre Eltern waren immerhin aus der unteren Mittelschicht und wollten einen sozialen Aufstieg für ihre Familie, wodurch sie aber zumindest ein hervorragendes Klavier zuhause hatte und immer wieder etwas an ihrer Musik arbeiten konnte.

Musikalisches Schaffen in Phasen, ein auf und ab

Obwohl sie einige Künstler*innen kannte und mittlerweile viel schrieb, wurde sie nie von ihrer Familie unterstützt, stürzte sich aber ab 1900 in eine intensive Schaffensphase, in der sie ihre wichtigsten Werke schrieb, wurde Mitglied der Société des compositeurs de musique, durch die sie an kompositorischen Wettbewerben teilnehmen und so bekannter werden konnte – 1910 wählte man sie zur Sekretärin dieser Gesellschaft, eine prestigeträchtige Position. In dieser Zeit wurden viele ihrer Werke bereits öffentlich aufgeführt, selbst spielte sie nicht oft in Konzerten, vielleicht auch, weil sie so spät mit dem Klavierspielen anfing und keine Konzertfachausbildung abschließen konnte.

Gegen Ende ihres Lebens litt sie an Depressionen und inneren Konflikten zwischen (katholischer) Konvention und ihren eigentlichen Wünschen - erinnern wir uns nur daran, dass sie eigentlich jemand ganz anderes, einen weiteren Künstler, heiraten wollte. Sie schrieb nach einigen Schaffenspausen hauptsächlich geistliche Musik und publizierte nicht mehr allzu viel, da sie in den 1930er Jahren die Musik schon neue Wege einschlug und sie diesen nicht mitgehen wollte.

Nun das Wichtigste: Die Musik!

Glücklicherweise publizierte der auf Komponistinnen spezialisierte Verlag Furore bereits mehrere Bände von Bonis´ Œuvre. Meine zwei Lieblingsbände stelle ich dir hier vor (das ist auch für nur Zuhörende spannend, bleib dran), aber natürlich kannst du hier noch viel mehr entdecken, vor allem Kammermusik und Werke für andere Instrumente.

Literatur und Mythologie – aber am Klavier

Volume 1 – Femmes de Légende

Zwischen 1898 und 1913 entstanden diese sieben impressionistisch anmutende Klavierstücke, allesamt benannt nach weiblichen Persönlichkeiten aus der Mythologie und Literatur wie Ophelia, Melisande, Desdémona oder Salomé. Die Noten findest du hier direkt im Furore Verlag oder hier über Stretta.

Ophélie

Shakespeare zu lesen oder sich anzuschauen, schadet nie – erst letztes Jahr las ich Hamlet als Teil eines Uniseminares, und von genau dort nimmt Mel Bonis Inspiration. Ihr Freund Amédeé Hettich war übrigens auch Poet, weshalb dies hier nicht das erste Stück ist, das Bezug auf Literatur nimmt. Ophélie ist Hamlets Freundin, ertrinkt jedoch am Ende und genau diese Schwermut, die Textur des Wassers, Ophelias stetiges Trauern nimmt Bonis auf, hör es dir gleich hier an:

Mélisande

Vielleicht kennst du die Oper Pelléas und Mélisande von Debussy, hypnotische Klänge, die Musik klingt oft verschwommen, geheimnisvoll und wie im Nebel. Die Geschichte von Pelléas und Mélisande inspirierte auch Mel Bonis, die die Geschichte musikalisch in einem kurzen Klavierstück verarbeitete und wie es der Furore Verlag so schön sagt „mit ihren magischen Harmonien und ihren leuchtenden impressionistischen Farben die Wirkung der Haarpracht Mélisandes“ beschreibt. Wenn man sich die Geschichte von Pelléas und Mélisande durchliest und dabei diesem Stück lauscht, erlebt man noch viel mehr Facetten der Musik. Wenn du dir nur ein Stück anhörst, lass es dieses hier sein!

Romance sans paroles

ist Teil des Bandes Piéces de Concert, den du hier findest. Lieder ohne Worte sind uns bereits von Mendelssohn-Bartholdy bekannt, dieses 1905 entstandene, recht kurze Stück wurde am häufigsten aufgeführt, ist zart, verspielt und verträumt mit vielen Arpeggi.

Ein ganzes Album voll Mel Bonis???

Die Pianistin Myriam Barbaux-Cohen hat vor kurzem ein ganzes Album aufgenommen – Mémoires dúne femme – auf welchem achtzehn ausgewählte Werke von Mel Bonis von ihr interpretiert werden. Wenn du dich einfach mal nur entspannen willst (und ja, auch wenn ich klassische Musik gerne bewusst höre, bietet sich dieses Album wunderbar an, wenn du im Hintergrund Klavier hören möchtest.). Das Album findest du hier auf Apple Music oder auf Idagio.

 Quellen

https://www.stretta-music.at/bonis-klaviermusik-4-nr-472048.html

https://www.mel-bonis.com/EN/Biographie/

https://www.proquest.com/docview/2547409787/fulltextPDF/2A3A10C3CBAD48F5PQ/1?accountid=14682

https://www.stretta-music.at/bonis-klaviermusik-1-nr-369081.html

http://www.bruzanemediabase.com/fre/OEuvres/Romance-sans-paroles-Mel-Bonis